ICH WILL YOGALEHRER WERDEN.
ICH MÖCHTE GERNE UNTERRICHTEN.
Was treibt Menschen an, dass sie plötzlich den dringenden Wunsch eines Yoga Lehrer Daseins verspüren? Warum gibt es so viele die sich auf den Weg machen mit dem Yoga Geld zu verdienen?
Es ist so einfach geworden, eine Ausbildung zu machen, alles was man braucht ist Geld, manchmal nachzuweisende Praxis und die Zeit an den Wochenenden eine 200h Ausbildung über ein Jahr zu bestreiten. Es spielt kaum mehr eine Rolle welche Inspiration man hat, welche Lebenswege eingeschlagen wurden oder wie lange man sich mit dem unglaublich vielfältigen Thema des Yoga beschäftigt hat.
Eine ehrliche Gegenüberstellung von Lehrersein, Wunschvorstellungen, Realität und Fakten bringt in so manchen Gesprächen mit angehenden Yogalehrern dicke Luft zwischen Matten, Augenkissen und Räucherstäbchen.
Klarerweise wird das Ziel des Unterrichtens von den meisten angestrebt – sei es als Hobby, als Nebenjob oder Hauptberuflich. Nur stellt sich die Frage, ob man nach einem Jahr und einer 200h Ausbildung fähig ist, den wohl immer stärker werdenden Bedürfnissen der Schüler Antworten und Lösungen zu bieten, oder zumindest zu verstehen und sich ernsthafte Gedanken macht, wie man die Probleme seiner Schüler begleiten kann. Und genau das spielt kaum eine Rolle mehr.
Der Umsatz bei Lehrerausbildungen ist einfach zu groß und zu schön um diese Flut von Neulingen stoppen zu wollen. Man kann verstehen, dass jeder der Hauptberuflich davon leben möchte, nach Wege und Lösungen sucht, und da bringt das Anbieten einer Ausbildung viel Bewegung rein.
Hat man automatisch nach einer Grund Yogalehrer Ausbildung das Zeug und vor allem die Lebenserfahrung um sofort auf Yoga Schüler losgelassen zu werden?
Wer kontrolliert das? Wer entscheidet das? Niemand. Oder fast niemand.
Somit ist es einfach, sich selbst das Ja zu geben und es einfach zu versuchen. Interessanterweise stellt man es sich leichter vor als es dann tatsächlich ist. So trifft man als Langzeitlehrer auf einige Situationen, die staunen lassen, wie selbstbewusst und bestimmt frisch ausgebildete Lehrer mit dieser verantwortungsvollen Aufgabe umgehen. Manchmal scheint es, als wäre es vielen nicht wichtig, was in und rund um die Klasse passiert.
Stark besuchte Yoga Klassen werden immer wieder in Studios von jungen, unerfahrenen Leuten unterrichtet, die selbst mehr damit beschäftigt sind, die Asana perfekt zu performen, die Notiz der perfekt abgestimmten Sequenz nicht aus dem Auge zu verlieren und lateinische Namen der Muskeln zu betonen – damit jeder hören und sehen kann wieviel dieser Lehrer bereits gelernt hat. Style und Frisur sitzen, die Muskeln strotzen vor Kraft und das Ego glüht.
Egal was die Schüler mit der Übungsvorgabe machen, welche Ausrichtungsfehler passieren, egal ob jemand Schmerzen hat oder sogar Verletzungen mitgebracht hat, Hauptsache die Performance stimmt und die Schüleranzahl für die Abrechnung am Ende des Monats.
Noch erschreckender und bedenklicher ist es wenn Leute in Lehrer Ausbildungen gestellt werden, die selbst erst seit 1-3 Jahren unterrichten und vorher ein paar Jahre an Eigenpraxis mitbringen und diese wenigen Erfahrungen als Kompetenz verkaufen.
Warum ist das so allgegenwärtig? Das tut dem Ego gut, bring Anerkennung und füllt die Geldtasche. Früher verbrachte ein Schüler ein Jahrzehnt in einer ernsthaften Ausbildung bei einem Meister. Endgeldlos und in einfachsten Verhältnissen. Klarerweise kann man sich das heute nicht mehr vorstellen und trotzdem ist die Haltung zum Weitergeben des gelernten basierend auf Unerfahrenheit, Naivität und Sturheit.
Nicht selten unterrichten angehende Lehrer bereits vor dem Abschluss einer Mindestausbildung und gehen davon aus, dass es ja nicht so schwer sein kann, ein paar Übungen sinnvoll aneinander zu reihen und gelesene oder gehörte Worte eines anderen Lehrers wieder zu geben, die Hände vor der Brust zu falten, und sich dann als weise und erhaben zu fühlen. Mit den Worten „Wir sind voll mit Liebe und Alles ist Liebe“ wird der spirituelle Background gegeben und viele Schüler verlassen die Yogaklassen mit einem großen Fragezeichen übern dem Kopf. Oft sind die Unterrichtenden jünger als die Schüler selbst, haben keine Kinder, keine 40 Stunden Jobs und müssen sich nicht um kranke Angehörige kümmern. Leben mal da mal dort, reisen um zu Unterrichten oder Weiter zu lernen, posten über das tolle Leben und vergessen dabei eines: die Menschen die ihre Klassen besuchen sind diejenigen, die vom Yoganektar trinken wollen und so unglaublich durstig sind nach einer Hilfestellung und Lösungen. Es sind diejenigen, die eine verlässliche Stütze suchen um den Anforderungen des Lebens gewachsen zu sein. Das verlangt viel Einfühlungsvermögen und Spürsinn, wie auch ein Maß an Erfahrung wie das Leben schwierig sein kann, wirklich schwierig.
Das Fehlen der Selbstliebe ist das große Problem, welches unglaubliche Folgen auf Alles hat.
Die Bedürfnisse der Menschen sind anders geworden. Ein Richtungswechsel ist deutlich spürbar – und wenn man genauer hinschaut, auf die Körper und deren Haltungen in Alltagssituationen, wird klar, dass kaum jemand frei, herzoffen und in Frieden leben kann. Die Menschen sind verschlossen und schreien regelrecht nach Hilfe, um sich selbst näher zu kommen und dann dem Rest der Welt. Negative Erlebnisse, Schicksalsschläge, Krankheiten, Mobbing, Depressionen, Stress im Arbeitsumfeld und in der eigenen Familie – das sind all die üblichen Dinge die Schüler mitbringen und bewegt werden wollen, und es gibt noch unzählige andere Schwierigkeiten, die einen Menschen über die Jahre verändern, weit weg vom Selbst bringen. Es reicht nicht mehr aus, vom Fluss der göttlichen Energie zu sprechen, das Licht im Herzen tanzen lassen und mit einem Lächeln auf den Lippen durch die Welt zu gehen.
Man könnte fast behaupten, dass es zum Trend geworden ist, sich den Tatsachen nicht mehr zu stellen. So zu tun als wäre doch alles in Ordnung, man will entspannt wirken und keiner soll ahnen, wie unglaublich unruhig, angespannt und nervös das System ist. In unserer Zeit sind diese Verspannungen das Hauptproblem, Menschen sind sportlicher, bewegen sich viel und wissen einiges über gesunde Ernährung. Nur wer nährt die Seele und das Herz?
Spirituelle Lehrer, oder diejenigen die versuchen das Innere zu begleiten, schaffen manchmal einen Weg, der das Kostbare innen drinnen erahnen lässt. Man fühlt sich dabei freier. Nur dann geht der Schüler zurück in seinen Alltag und es verpufft schneller als es gekommen ist. Zwar erinnert man sich an die guten Worte und Ratschläge, aber fragt man sich gleichzeitig: Wie kann jemand mein Leben verstehen, der doch ein ganz anderes führt? Woher nimmt sich ein Lehrer das Recht, jemanden gute Ratschläge zu geben, über ein Schicksal oder eine Krankheit die er selbst nicht erlebt hat?
Was möchte man eigentlich bewegen als Lehrer?
Den Körper bewegen ist einfach. Das Herz und die Seele zu erreichen ist schwer. Das Erlernen authentisch zu Unterrichten beginnt lange vor einer abgeschlossenen Ausbildung, läuft stetig weiter und wird nie enden. Das sich eingestehen, selbst Fehler zu haben und zu machen, selbst Probleme lösen zu dürfen verlangt einiges an Mut und Selbsterkenntnis. So leicht sieht man die Fehler und Probleme der Anderen und lenkt sich dabei gerne vom eigenem Haufen der nötigen Reflektion ab. Ein Lernen die Asanas und ihre Bedeutungen auf das Leben umzuwälzen, den Atem und das Bewusstsein in engen Situationen einzusetzen und zu lernen sich selbst den Raum zu schenken den man braucht, wäre ein wunderbares Ziel als Lehrer und benötigt Zeit.
Vielen Menschen fehlt die nötige „Rüstung“ für den Alltag, um sich weiterentwickeln zu können oder an den schwierigen Aufgaben zu wachsen. Zu vieles wird einem jeden Tag genommen – man verlernt sich selbst wahrzunehmen und verliert die Verbindung mit dem Ganzen. Leere bleibt.
Wenn man sich ernsthaft vorne im Raum als Lehrer präsentieren will, verlangt es mehr als eine Ausbildung, Kenntnisse über Anatomie oder der Elemente. Lebenserfahrung und ein Wille sein Selbst zu befreien sind Voraussetzungen um die Bedürfnisse der eigenen Schüler zu erkennen und ihnen somit authentische Antworten zu geben, auch wenn keine Fragen gestellt werden.
Natürlich kann man einen Yoga Stil unterrichten, Ideale und deren Vorgaben entsprechend handeln und somit ein stabiles Konstrukt haben und damit eine erprobte Technik anwenden. Ein genauerer Blick auf jeden Schüler, auf die Körperhaltung, der Gesichtsausdruck, der Blick, die Atmung… würde so manchem viele Türen in ein wundervolles Erfahren und Unterrichten geben.