Wer kennt sie nicht, diese Frage: wie und wann bekomm ich endlich eine regelmäßige Yogapraxis auf die Reihe? Wie kann ich die Asanas oder die Meditation in mein tägliches Leben einbauen? Der Tag beginnt, zumindest bei den Meisten gleich, wir stehen auf, frühstücken oder kippen schnell einen Espresso runter, versuchen noch aufzuräumen, machen uns fertig für den Tag, versuchen andere Familienmitglieder durch die Türe zu schieben und sitzen dann schon völlig außer Atem im Auto oder beim ersten Termin des Tages. An der roten Ampel dann kommt es uns gedämmert: unsere Yogalehrerin sagte doch wir sollten den Morgen ruhig starten und uns Zeit nehmen für eine kurze Meditation, für ein warmes gekochtes Frühstück oder zumindest für eine Übung die uns das Prana für den Tag bereitstellt. Und spätestens jetzt müssen wir lachen, oder schmunzeln oder sogar den Kopf schütteln. Nein, nicht weil das kein guter Rat sei, sondern weil wir das große Fragezeichen über den Kopf haben mit: Ja aber Wann? Ich möchte jetzt nicht nur die Frauen an die oberste Stelle heben, es ist aber Tatsache, dass der tägliche Ablauf von Frauen mit Kindern damit zu tun hat, anderen den Zeitplan und die Organisation des Tages vorzukauen, und sich um die Bedürfnisse sämtlicher Familienmitglieder zu kümmern. Bei vielen Muttertieren beginnt der Tag mit tiefen Augenringen, den Wäscheberg des Vortages erfolgreich vor Mitternacht verstaut, tot müde ins Bett gefallen und mindestens eins der Kinder kommt genau zu diesem Zeitpunkt ins Schlafzimmer gestapft wenn man sich zu denken traut: Gott sei Dank endlich schlafen!
Was das mit der Praxis von Yoga zu tun hat?
Sehr viel. Mir ist es immer wieder ein Rätsel wie manche Yoga Fans eine tägliche Übungsreihe schaffen, neben einen Vollzeitjob, Überstunden, Hobbies, Familie, Haushalt, Sport, Facebook, What´s App, Twitter und Instagram, der Partner natürlich absolutes Verständnis hat, das Wohnzimmer zu verlassen um Om zu omen… es scheint mir schwierig. Vor kurzem erzählte mir eine Frau mittleren Alters, sie stehe jeden Tag um 4:45 auf um Zeit und vor Allem Ruhe zu haben um eine Yoga Praxis zu finden. Das kann ich verstehen, muss es allerdings sehr bewundern, wie man so konsequent den Schlaf verkürzt um seine Asana-Ruhe zu finden. Und die Lehrer unter uns? Hier wird’s noch spannender. Manche unterrichten mehrere Einheiten die Woche und gehen noch zusätzlich einem anderen Job oder Ausbildungen nach, oder haben auch Familie wo eine freie Zeiteinteilung unmöglich ist. Ja wann bitte wird geübt? Rezitiert? Gechantet? Meditiert? Gereinigt? Askese praktiziert? Bio und regional am besten direkt beim Bauern eingekauft? Vegan gekocht? Mit Waschnüssen die Wäsche gereinigt und die nächste gute Tat geplant damit das Karma Yoga nicht zu kurz kommt? Das sind die Vorstellungen die die meisten Nichtyogis von uns haben, und diese uns doch beeinflussen.
Klar gibt es nichts Schöneres den Tag mit einer Runde Atemübung und Sonnengruß zu starten, doch meistens bleibt keine Zeit und kein Raum für die tägliche Übungsreihe. Mal ganz ehrlich: versperrt uns nicht der Druck den klaren Blick auf die Yogapraxis? Man sollte täglich üben, man sollte meditieren und man sollte sich den ganzen Tag achtsam durch die Welt bewegen… ja sollten wir. Geht das? Nein. Nicht immer. Und immer weniger. Auch als entspannter Yogi baut sich schnell Druck auf, wenn es um die tägliche Praxis und die reine Lebensweise geht. Und doch gibt’s eine Lösung: es reicht eine Übung pro Tag zu machen, es reicht an der roten Ampel zehn tiefe Bauchatmungsübungen zu finden, und sich bei einer bestimmten Tätigkeit des Alltags in Achtsamkeit zu üben. Sich daran zu erinnern, welche Aufgaben das Leben einem stellt und sie mit all seinen Facetten des Daseins begleitet. Und dann: darf man es wieder genießen, wenn man eine neunzig minütige Yogastunde besuchen kann.