Grau in Grau, kalt und grauselig, Heizungsluft und tropfende Nase, mal Halsweh dann Husten, und dann noch Darmtätigkeiten, die über den Normalbereich drüber hinausgehen. Dann schleicht sich die Kälte in die Glieder und die „Maschine“ beginnt zu stocken, das Zahnrad läuft zwar aber jede Aktion wird immer stockender. Ja das passiert den Yogis, und auch deren Kindern. Klar leben wir gesund, achten auf den Flüssigkeitshaushalt, essen sogar Fenchel und Kraut roh, verwenden von Kurkuma, Zimt bis Schwarzkümmel sämtliche Gewürze, kneten uns selbst die Akkupressurpunkte, haben aber auch unsere Laster und Sorgen, Aufgaben und Jobs, Kinder, Partner, Haushalt und würden ganz gern ein wenig Zeit für das Alleinsein haben.
Wir Yogis sind wie jeder andere mit den Dingen des Lebens konfrontiert. In den vielen Jahren als Lehrerin kam schon mal die eine oder andere Meldung aus dem Umfeld, „das kann doch gar nicht sein – du bist doch eine Yoga Frau! Stark und geschmeidig, flexibel und klar, das muss doch alles ganz einfach sein für dich!“ Wenn es so wäre, dann würde ich mich nicht dieYOGAdoris nennen, sondern dieYOGAmaschine, immer auf 150% und da geht noch mehr.
Doch was ich eigentlich sagen möchte, ist über die immer stärker werdende Welle des „ach es muss gehen, ich fühl mich zwar kränklich und schlecht, aber ich muss, wer soll es sonst für mich machen? Ich bin müde und ausgelaugt, reiß mich aber am Riemen und geh doch noch schnell laufen und mache danach eine belebende Yogasequenz.“ Zwar ist der Trend seit Jahren eindeutig auf Gesundheit, Bewegung, Ernährung, Wellness und Co. Doch sind wir alle gestresst mit diesen Themen. Eine Berg- oder Talwanderung am Wochenende artet gern, mit dem Pulsmesser und Schrittzähler bewaffnet, in einen Wettkampf aus, und dieser Kampf findet meistens mit dem Selbst statt. Das Unterrichts Level einer Yogaeinheit soll darstellen, wie unglaublich fit und energiereich man ist, das Beinchen noch schnell hinter das Ohr gelegt und schon fühlt man sich überlegen und besser. Ein ständiges Grenzüberschreiten in verschiedenen Bereichen des Lebens, welches nach und nach noch unrunder, noch müder, noch angespannter macht und uns alle in das schwere Gefühl der Unsicherheit drängt.
Ich erlebe laufend auch in meinem Leben diese feinen Grenzen, auch bei meinen Kollegen und Bekannten, Menschen die wie ich die Aufgabe haben, anderen zu helfen, denen ein Vorbild zu sein, die ständig mit dieser feinen Grenze zu tun haben. Nur weil man einen weißen Kittel oder eine Yoga Hose trägt, die Massagematte oder den Behandlungsstuhl aufbettet, Trainingsgeräte und Hilfsmittel immer griffbereit hat, heißt das noch lange nicht, dass wir unzerstörbare Götter sind. Interessanterweise verhalten wir uns aber oft so – ich nenn das gern die Berufskrankheit, man sieht dieses Phänomen quer durch alle Berufssparten. Man predigt Wein und konsumiert Wasser, anders gesagt, wir geben bzw. zeigen viel und vergessen UNS SELBST.
Aber welche feine Grenze? Da sitzt ein Engelchen und ein Teufelchen auf der Schulter. Das liebe Erstgenannte sagt mit weicher und wohlwollender Stimme „Doris, du bist nicht fit, du brauchst ein Wenig Zeit um zu rasten, dich zu pflegen und dir einzugestehen du bist ein Mensch der auch schwach sein darf“, und gleichzeitig schaltet sich der Andere mit bestimmtem Ton ein „Doris, wenn du diesen Termin nicht wahrnimmst, werden deine Schäfchen traurig sein, vielleicht sogar ein wenig sauer, dass du oder dein Kind schon wieder krank bist, zieh es durch geht schon, außerdem denk an den Knödel den du verdienen kannst, du bist Selbstständig, ständig und Selbst“ und so überlegt man hin und her was nun doch das Beste wär.
Dankbar bin ich, dass ich es mittlerweile gelernt habe, nein zu sagen, Termine zu canceln, mich mit Bettflasche am Nachmittag hinzulegen und langen Atem übe. Vom absoluten Ordnungsfreak und Putzteufel bin ich gewandelt in „ist mir doch grad wurscht Hausfrau“, und die übliche Laufstrecke wurde in eine gemütliche Walkingrunde umgewandelt, und JA das tut gut!
Ein langer Weg, sich ehrlich einzugestehen was man wirklich braucht und welche Funktion man als Lehrer/Trainer/Vorbild haben will. Mein Körper zeigt mir immer mehr die Grenzen, und die Tatsachen auf, die mein Leben und mein Umfeld nur schneller höher und belastend machen, es fühlt sich fast wie eine Allergie an, die in bestimmten Situationen sich ausbreitet über den Körper und das System schwach werden lässt. Der Kopf wird dasig und man hat das Gefühl getrennt zu sein, kein klarer Kopf und stockender Atem.
Ein schöner Maßstab oder eine Hilfe ist das dankbar sein, ja ich weiß, welch durch gelutschten Worte die man in jedem bunten Lebensratgeber Magazin lesen kann. Aber probiert es mal aus, nicht immer NUR über das Schlechte reden, sondern mal von den guten Dingen erzählen und dankbar sein für das Einfache das jeden Tag passiert. Man muss nicht immer die Perfektion anstreben, das Beste rausholen oder stänidg 100% geben. Jeder setzt sich seine Welt selbst zusammen, dann tauschen wir doch mal einzelne Puzzleteile, zumindest kann man es versuchen, welch eine Asana, üben, üben, üben… and don´t forget to breathe.